2. FASTENSONNTAG

 

Evangelium nach Lk (9,28b-34)

 

Nach dem Weltkrieg hatten damals einige große Politiker eine Vision: All das darf nicht mehr passieren. Sie entwickelten die Vision eines vereinten Europas. Inzwischen scheint vielen diese Vision eines friedlichen, gerechten und sozialen Europa abhanden zu kommen,. An ihre Stelle sind Werte getreten, die das Gemeinsame gefährden: Nationalismus, grenzenloser Individualismus, Gewinn- und Genussmaximierung. Europa ringt derzeit um eine gemeinsame Vision. Ohne eine solche gemeinsame Vision wird es wieder auseinanderbrechen. Nur das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg kann es auf Dauer nicht zusammenhalten. Europa braucht eine gemeinsame Vision.

So eine Vision hatten auch die Jünger von Jesus. Sie wird im heutigen Evangelium sehr bildreich beschrieben:

· Jesus geht mit denselben drei Jüngern, die er auch nach Getsemani mitnimmt, „auf den Berg", um zu beten (ähnlich wie Mose). Jesus zieht sich oft zurück um zu beten.

· Dass sich Jesu Angesicht verändert, erinnert an Mose: Die Begegnung mit JHWH ließ seine Haut erstrahlen. Etwas von Gott leuchtet in ihm auf.

· Von den drei Jüngern wird gesagt, dass sie eingeschlafen sind - ähnlich wie in Gethsemane - und nach ihrem Aufwachen sehen sie Jesus in strahlendem Licht, zusammen mit Mose und Elija, den zwei wichtigsten Persönlichkeiten des AT. Mose als Vertreter des Gesetzes, Elija als Vertreter der Propheten. Durch diese zwei größten alttestamentlichen Zeugen wird Jesus bestätigt.

· Petrus will diese überwältigende Erfahrung durch den Bau von drei Hütten festhalten.

· Eine Wolke - Symbol für Gott - überschattet sie. Aus ihr ruft eine Stimme : „Dies ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören". Mit diesem Höhepunkt bricht die Schilderung des Geschehens ab.

Lukas will mit dieser Szene sagen, dass einzelne Jünger schon während des öffentlichen Lebens Jesu dessen überirdische Bedeutung irgendwie gespürt haben. Sie verstanden dies aber vor Ostern nicht und erzählten niemandem davon. Erst zu Ostern gehen ihnen dann wirklich die Augen auf. Dann erkennen sie das wahre Geheimnis der Person Jesu.

Es war für sie eine Sternenstunde, oder ein „Gipfelerlebnis“. Die Erfahrungen, haben sie wohl ein Leben lang nicht mehr vergessen; solche Erlebnisse prägen sich tief in das Leben ein. Sternstunden, glückliche Momente, göttliche Erfahrungen. Jesus und seine Bedeutung ist ihre Vision.

„Auf ihn sollt ihr hören!“ Wer hören will, muss auch innerlich dazu bereit sein, muss innerlich offen sein, muss sich etwas sagen lassen. „Der Glaube kommt vom Hören“, sagt der Apostel Paulus. Durch das Wort, das von Gott kommt, spüre ich, er ist mir nahe, er meint mich, er weist mir einen Weg durch das Leben. „Wer im Leben kein Ziel hat, der verläuft sich."

Jeder und jede von uns kann sich fragen: Hatte ich in meinem Leben schon so ein Gipfelerlebnis? Wo habe ich in meinem Leben schon erfahren,

- dass mir etwas ganz Ungewohntes, etwas Neues einleuchtet, wenn ich in der Bibel lese...

- dass ich Jesus plötzlich mit anderen Augen sehe...

- dass es mir ist, als wenn eine innere Stimme zu mir spricht...

- dass ich nun bestimmt weiß, wonach ich mich richten will...

- dass ich mich von Gott geliebt weiß...

- dass ich von solchen Höhen wieder herabsteigen muss...

- dass ich nicht wage zu erzählen, was ich erfahren habe...

- dass zwar das Licht nicht bleibt, aber eine tiefere Einsicht...

Solche Erfahrungen sind ein Geschenk. Sie prägen mein Leben. Sie sind wie eine Vision, die mein Leben steuert. Gott hat sich in meinem Leben spürbar gemacht.

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